Teambuilding durch Selbstorganisation

In seinem Buch Large-Scale Scrum schreibt Craig Larman Folgendes über die Bildung von Teams:

Wie sollte man neue Teams bilden? Wer wird in einer Community sein? Wie beantwortet man diese und viele weitere Fragen?

Setze auf Freiwilligkeit! Wirkliche Freiwilligkeit ist eine wirksame Methode, die Köpfe und Herzen der Menschen zu mobilisieren. Dies wird häufig unterschätzt, weil viele Manager dann das Gefühl haben, die Kontrolle zu verlieren. Auf die freiwilligen Teams wirkt das stärkend.

Ich habe das selber schon einmal in meinem ersten agilen Projekt ausprobiert und war fasziniert von den Erkenntnissen, die wir damals dabei gewonnen haben.

Wir waren eine Gruppe von ca. 25 Leuten, die ursprünglich mit 2 Teams angefangen hatte, immer weiter gewachsen und letztlich zu groß für 2 Teams geworden war. Daher sollten aus diesen 25 Leuten nun 3 neu aufgeteilte Teams werden.

Unser Ziel war eine durch die Teammitglieder selbst gewählte Teamstruktur.

Wir hatten gerade erst begonnen, nach Scrum zu arbeiten und erste Erfahrungen damit zu sammeln. Als die ursprünglichen 2 Teams zu groß wurden, waren wir – die Product Owner und Scrum Master – uns sehr schnell einig, dass wir keine durch das Management vorgegebene neue Teamstruktur haben wollten. Unser Plan war es, die neue Struktur mit den Teams gemeinsam zu vereinbaren. Wie aber vorgehen, wenn der Weg über das Management der bekannte ist, den wir so gewohnt waren? Was wäre im Gegensatz dazu eine innovative Idee?

„Wir erarbeiten einen Vorschlag, diskutieren ihn mit allen Beteiligten gemeinsam und jeder kann seine Gegenvorschläge einbringen.“

Für unser Vorhaben wollten wir die Namen aller Projektmitarbeiter auf PostIts schreiben, diese in der vorgeschlagenen Struktur auf ein Whiteboard hängen und das gesamte Projektteam für eine gemeinsame Diskussion zu einem Meeting einladen.

Ich fand diese Idee damals sensationell innovativ.

Gesagt, getan. Der erste Vorschlag für eine Struktur war überlegt, die PostIts in der vorgeschlagenen Struktur auf ein Whiteboard gehängt, die Einladung an das gesamte Team verschickt.

Die Durchführung verlief dann erstaunlich unkompliziert, die Diskussion war kurz und der Vorschlag wurde einstimmig angenommen.

Das war ja einfach.

So dachte ich. Zum Glück nahm ich mir anschließend die Zeit, den einen oder anderen Kollegen noch einmal direkt darauf anzusprechen, ob er mit seinem neuen Team und der Zusammenstellung zufrieden sei.

Die Reaktionen waren ehrlich, aber ernüchternd.

„Dagmar, du hast das vorgestellt – damit war das Ergebnis für uns beschlossen und verkündet.“

Nun muss man vielleicht dazu sagen, dass mich einige aus dem Team noch in meiner vorherigen Rolle als Projektleiterin kennengelernt hatten. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass allein diese Tatsache und dass ich den vorläufigen Entwurf im Plenum vorgestellt hatte, eine Diskussion praktisch schon im Keim erstickte.

Unser Ziel war eine wirklich durch die Teammitglieder selbst gewählte Teamstruktur.

Es war klar, eine neue Lösung musste her – und plötzlich lag diese auch auf der Hand! Erneut luden wir alle Teammitglieder zu einem gemeinsamen Termin ein. In diesem stellten die drei Product Owner ihre drei verschiedenen Themenbereiche* vor, nach denen die neuen Teams organisiert werden sollten. Anschließend konnte sich jeder zu einem passend erscheinenden Team zuordnen. Hierzu hatten wir für jeden Product Owner eine Metaplantafel mit seinem Thema aufgestellt. Die einzelnen Teammitglieder konnten eine Karte mit ihrem Namen dazupinnen.

Am Ende sollten drei gleich starke Teams herauskommen.

Einzige Maßgabe war dabei, dass am Ende drei gleich starke Teams herauskommen sollten. Nachdem alle ihre Karte auf die drei Metaplantafeln verteilt hatten, wurde in den drei Gruppen jeweils die Stärken und Optimierungsbedarfe dieser drei potenziellen Teams diskutiert, auf dem Board festgehalten und nach einer vereinbarten Zeit im Plenum vorgestellt.

Anschließend hatten alle Beteiligten Zeit, sich umzusehen, Meinungen auszutauschen und die bisherige Struktur noch einmal anzupassen, mit dem Ziel, die identifizierten Schwächen möglichst zu nivellieren. Danach erfolgte ein 2. Durchgang, wieder nach dem gleichen Schema, wieder sollten die drei Gruppen die Vor- und Nachteile der neuen Konstellation besprechen und anschließend im Plenum vorstellen.

Eigentlich hatten wir danach noch einen 3. Durchlauf geplant, allerdings war die einhellige Meinung schon nach der 2. Runde, dass das Ergebnis so für alle passt und das Ziel mit drei gleich starken Teams auch erreicht sei.

Eine selbstorganisierte Teamstruktur erfordert Mut.

Die Teamstruktur blieb bis zum Ende des Projekts unverändert erhalten. Ich glaube, sie war gut. Die 3 Teams waren gleich stark und es gab keine nennenswerten Konflikte. Alle waren in die Teambildung eingebunden, alle Meinungen wurden gehört. Jeder konnte mitgestalten. Natürlich gehört Mut zu einem solchen Vorgehen und man weiß auch nicht, ob am Ende das rauskommt, was man – als Manager – selber gerne hätte. Aber die Akzeptanz in den Teams ist nicht zu unterschätzen. Ich würde jederzeit wieder so vorgehen, wenn ich die Möglichkeit dazu habe und kann letztlich jedem nur empfehlen, hier den Teammitgliedern zu vertrauen. Sie wissen selbst am besten, mit wem sie gut zusammen arbeiten können.

Teambuilding durch Selbstorganisation
Jeder Product Owner hatte eine Metaplantafel mit seinem Thema aufgestellt, die einzelnen Teammitglieder konnten Karten mit ihrem Namen dazupinnen.

Das Buch von Craig Larman kannte ich zu diesem Zeitpunkt übrigens noch nicht. Umso mehr hat es mich beim Lesen gefreut, dass er einen sehr ähnlichen Vorschlag zur Bildung selbstorganisierter Teams beschrieben hat, wie wir ihn uns damals am Ende selbst überlegt haben.

Habt ihr schon ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie stellt ihr neue Teams zusammen? Wie viel Eigenorganisation und Selbstverantwortung lebt ihr schon?

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* In einer idealen Welt würde man das Produkte nennen, aber soweit waren wir noch nicht.

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