Kürzlich las ich einen Artikel über Lasse Rheingans und seine Bielefelder Agentur Digital Enabler. Lasse Rheingans hat vor ca. einem halben Jahr als Test die 25-Stunden-Woche für die gesamte Belegschaft eingeführt. Alle Mitarbeiter arbeiten fünf Stunden pro Tag an fünf Tagen pro Woche. Ab 13 Uhr sind die Büros leer – und das bei gleichem Gehalt! Klingt erstmal gut? Die Meinungen darüber sind geteilt. Von einer gut geölten, effizienten Maschinerie ist die Rede auf der einen Seite, von erheblichem Druck und steigendem Stresspegel sprechen die anderen. Eine ausführlichere Beschreibung des Modells lieferten die Zeit und der KSTA.
Könnte ich mir ein solches Arbeitsmodell für mich selber vorstellen?
Fünf Stunden pro Tag und das bei gleichem Gehalt ist natürlich erst einmal ein interessanter Gedanke. Wenn man morgens um 8 Uhr anfängt zu arbeiten, ist der Arbeitstag um 13 Uhr schon vorbei. In der Zeit dazwischen arbeiten alle konzentriert und fokussiert an ihren Themen. Danach bleibt noch viel vom Tag für andere Dinge übrig: Zeit für die Familie und Freunde, Zeit für sich selbst, für Hobbys, für Weiterbildung etc. Und es gibt durchaus Meetings, bei denen ich mir ein strafferes Vorgehen wünsche. In denen mit zu vielen Leuten sehr detailverliebt diskutiert wird. Selbst dann noch, wenn die Hälfte bereits ab- oder ihren Laptop eingeschaltet hat. Fokus ist einer der 5 Werte in Scrum – wer sich nicht auf seine Aufgabe fokussiert, kommt deutlich später damit ins Ziel. Das klingt schon alles sehr plausibel.
Aber wie kommt man überhaupt dahin, die gleiche Arbeit mit der gleichen Anzahl Mitarbeiter in weniger Zeit zu erbringen? Denn von einer Reduzierung der Arbeit oder einer Verstärkung der Mannschaft ist hier nicht die Rede. Stattdessen sollen die Mitarbeiter schneller arbeiten, indem Arbeitsabläufe optimiert werden und vor allem keine Zeit mehr für Zwischenmenschliches bleibt. Soziale Interaktionen können keine große Rolle mehr spielen, es zählen nur konkrete Lösungen.
Kann das so auf Dauer funktionieren?
Sicher gibt es Bereiche, in denen ein solch konsequent fokussiertes Vorgehen sehr hilfreich sein kann. Kreativität beispielsweise passt allerdings mit dieser Effizienz aus meiner Sicht überhaupt nicht zusammen. Ich selber habe meine besten Ideen meistens dann, wenn ich mich mit anderen Leuten beim Kaffee austausche oder einfach mal meine Gedanken schweifen lasse. Nicht wenn ich stringent ein ToDo nach dem anderen abarbeite. Kreative Ideen gedeihen meiner Meinung nach nicht in einem Umfeld, das völlig auf Effizienz getrimmt ist, sondern sie benötigen Rahmenbedingungen, die dem genau entgegenstehen.
Ich empfinde diese Form des Arbeitens außerdem als zu wenig menschenfreundlich – sie widerspricht in wesentlichen Teilen meiner Vorstellung von guten Arbeitsbedingungen – trotz der geschilderten Vorteile. Und das meine ich durchaus auch aus einer Arbeitgebersicht. Ich möchte nicht Teil einer Maschinerie sein, sondern glaube daran, dass durch ein gutes, konstruktives Miteinander die Arbeitsleistung erhöht und damit auch die Arbeitsergebnisse verbessert werden.
Aber man kann durchaus überlegen, welche Ideen und Teile dieses Arbeitsmodells dafür geeignet sind, einen Arbeitstag insgesamt für beide Seiten besser zu gestalten. Möglicherweise ist der Firma Userlike genau das mit dem sogenannten „Beastmode“ geglückt.
https://www.userlike.com/en/blog/communication-process
Weiter geht’s bei Tech on Deck – heute gehostet von AXA Transactional Business: Timoor Taufig @timoort, CEO und Co-Founder von @userlike beim AXA Meetup über den Beast Mode, Leadership Fails und Wins. pic.twitter.com/mlVzKhH2W3
— AXA Deutschland (@AXADeutschland) 17. Mai 2018
Der Beastmode bei Userlike bedeutet, dass dieser fokussierte und effiziente Arbeitsmodus nicht jeden Tag komplett beibehalten wird, sondern regelmäßig für eine definierte Zeit, in der alle konzentriert und ohne große Unterbrechungen an ihrem Thema arbeiten. Und danach läuft alles wieder „normal“, also eine Kombination aus den verschiedenen Vorgehensweisen. Der Beastmode wird dabei sogar als Hilfsmittel angesehen, die eigenen Unternehmenswerte zu stärken. Aus meiner Sicht werden auf diese Art die positiven Aspekte der Arbeitsverdichtung eingebracht, ohne dabei Zeit für Zwischenmenschliches und Kreativität völlig auszublenden und den Druck auf die Mitarbeiter den kompletten Tag aufrecht zu erhalten.
Mir gefällt dieser Gedanke deutlich besser. Ich kann mir außerdem vorstellen, dass die Bedürfnisse der Mitarbeiter je nach Aufgabe und Rolle ganz unterschiedlich sein können. So ist es möglicherweise für einen Developer oder jemanden, der ein Konzept erarbeitet, viel wichtiger, sich auf seine konkrete Aufgabe fokussieren zu können und dabei nicht unterbrochen zu werden als bpsw. ich in meiner Rolle als Scrum Master solche Auszeiten brauche. Ich könnte mir daher das Beastmode-Modell mit einer gewissen Flexibilität bzgl. Zeitanteil und Aufgabe durchaus vorstellen. Für Arbeitsformen wie Homeoffice oder auch in dezentralen Teams stehen Unternehmen ohnehin schon längst vor der Herausforderung, wie die soziale Komponente in die Arbeit integriert werden kann. Hier sehe ich eine kluge Kombination des Beastmodes mit einer Art gegensteuerndem Konzept für soziale Interaktion innerhalb des Teams als denkbaren Ansatz.
Ich selber achte schon seit längerer Zeit darauf, dass ich mir den Freitagnachmittag möglichst freihalte und diese Zeit nicht mit Meetings blockiere. Diese Zeit nutze ich in der Regel, um fokussiert an den noch offenen Themen der Woche zu arbeiten. Das hat am Ende noch den sehr angenehmen Nebeneffekt, dass ich meistens mit einem aufgeräumten Schreibtisch ins Wochenende starten kann 🙂
Lasse Rheingans sagt am Ende übrigens selber, dass seine Methode vielleicht nicht für jedermann geeignet ist: „Niemand zwingt die Menschen, bei mir zu arbeiten.“ Für mich wäre es in Reinform tatsächlich keine erstrebenswerte Alternative.
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