Conway’s Law

Kennt ihr das auch – ihr hört oder lest irgendwo ein interessantes Stichwort, ihr stöbert dazu ein wenig im Internet herum, kommt aber nicht mehr zum Lesen oder wollt die gefundenen Seiten nicht schließen, weil sie euch so lesenswert erscheinen, dass ihr sie später noch einmal parat haben möchtet? Ich mache das ständig! Und habe daher gefühlte 137 offene Tabs im Browser mit mehr oder weniger relevanten Hinweisen, die ich mir bis heute entweder noch nicht oder nicht mehr genauer angeschaut habe.

Ich habe mir nun überlegt, dass ich all diese offenen Tabs mit interessanten Hinweisen, Websites und Stichworten nacheinander einfach als Impuls für einen neuen Blogbeitrag nutzen möchte. So nehme ich mir zum einen selber endlich die Zeit zum Lesen und kann hier zum anderen mein Verständnis dazu mit euch teilen.

Beginnen möchte ich mit Conway’s Law, dem Gesetz von Conway. Wikipedia sagt dazu Folgendes:

Das Gesetz von Conway ist eine nach dem US-amerikanischen Informatiker Melvin Edward Conway benannte Beobachtung, dass die Strukturen von Systemen durch die Kommunikationsstrukturen der sie umsetzenden Organisationen vorbestimmt sind. Es wurde von Conway 1968 folgendermaßen formuliert:

“Organizations which design systems […] are constrained to produce designs which are copies of the communication structures of these organizations.”

„Organisationen, die Systeme entwerfen, […] sind gezwungen, Entwürfe zu erstellen, die die Kommunikationsstrukturen dieser Organisationen abbilden.“

Das Gesetz von Conway basiert auf der Überlegung, dass für die Definition der Schnittstellen zwischen getrennten Softwaremodulen zwischenmenschliche Kommunikation notwendig ist. Daher haben die Kommunikationsstrukturen der Organisationen einen großen Einfluss auf die Strukturen dieser Schnittstellen.

Gemeint ist damit, dass die Struktur eines Systems, also eines Produkts, der Kommunikationsstruktur des Unternehmens entspricht, das dieses Produkt baut. Eine komplexe Kommunikationsstruktur führt somit auch zu einem komplexen Produkt, eine nicht gut funktionierende Kommunikationsstruktur zu einem nicht gut funktionierenden Produkt. Kommunikationsprobleme in der Organisation bewirken strukturelle Probleme in diesem Produkt. Bedeutet es umgekehrt auch, dass Probleme in Produkten einfacher gelöst werden könnten, wenn die zugrunde liegenden Probleme in der das Produkt bauenden Organisation gelöst würden?

Ich glaube, man kann den Einfluss von Strukturen sogar noch viel weiter fassen als nur in Bezug auf Softwaresystemen oder auf Produkte. Letztlich geht es auch nicht nur um Kommunikationsstrukturen, sondern um sämtliche Strukturen innerhalb einer Organisation. Eine ehemalige Trainerin von mir sagte immer folgenden Satz:

„Struktur prägt Verhalten.“

In der Praxis erlebe ich es wirklich häufig so.

Besonders (aber nicht nur) in einem Großkonzern haben Strukturen Einfluss auf unser Verhalten, unser Miteinander und beeinflussen damit letztlich die gesamte Kultur in einer Organisation – was sich wiederum in den erzielten Ergebnissen widerspiegelt. Das gilt aus meiner Sicht sowohl für offizielle als auch für inoffizielle Organisationsstrukturen (z.B. Netzwerke, Communities …). Das Festlegen von Ressortgrenzen spielt dabei genauso eine Rolle wie der festgelegte Teilnehmerkreis eines Statusmeetings. Der jeweilige Rahmen gibt vor, wer beteiligt ist und wer nicht. Organisationsstrukturen schaffen Gemeinsamkeit, z.B. innerhalb eines Teams oder einer Abteilung. Organisationsstrukturen grenzen aber auch aus – nämlich alle Menschen, die nicht zur gleichen Organisationseinheit gehören.

Wenn man in einem Team zusammen an gemeinsamen Themen arbeitet, führt das in der Regel fast automatisch zu intensiverem Austausch, bedingt durch regelmäßige Meetings mit dem Team u.ä.. Es kann aber z.B. schon wieder einen Unterschied machen, ob man räumlich zusammen sitzt oder nicht. Man tauscht sich häufig intensiver aus mit den Menschen, die einem räumlich nahe sind. Versteht man sich mit denselben gut, funktioniert das gemeinsame Arbeiten in der Regel noch besser. Wie anders das sein kann, merkt man schnell, wenn bspw. einzelne Mitarbeiter nur Remote für das Team arbeiten, während der überwiegende Teil des Teams täglich zusammen in einem Raum sitzt. Der oder die abwesenden Teammitglieder sind nur noch zu einem eingeschränkten Anteil in die Teamkommunikation eingebunden.

Als weiteres Beispiel neben den Teamschnitten kann man auch die hierarchische Struktur eines Unternehmens nehmen: Je komplexer diese Struktur, desto komplexer auch die Kommunikation und am Ende wiederum das erzielte Ergebnis.

Wie kann man es schaffen,  Strukturen so zu gestalten, dass sie die gemeinsame Arbeit möglichst unterstützen, statt sie zu behindern? Einfach ganz auf Strukturen zu verzichten ist meiner Meinung nach keine Alternative. Wichtig ist es stattdessen, sich ihrer beeinflussenden Wirkung bewusst zu sein, um dann ggf. gezielt gegen zu steuern und unliebsame Effekte möglichst zu verhindern. Organisationen sollten um die Arbeit herum gestaltet werden – nicht umgekehrt. Ziel sollte es immer sein, durch die Organisationsstrukturen ein gutes Miteinander und eine starke Zusammenarbeit zu fördern, denn das führt am Ende zu besseren Ergebnissen. Helfen kann hier eine agile, bewegliche Organisation, in der man z.B. Teams mit einem Product Owner um ein Produkt herum gestaltet und bei Bedarf auch flexibel anpasst. Starre Organigramme helfen aus meiner Sicht nicht weiter. 

Eine gemeinsame Vision und ein gemeinsames Ziel können hier als verbindendes Element einen Rahmen geben und gute Unterstützung bieten, um Gemeinsamkeiten zu schaffen – auch über Team- und Ressortgrenzen hinweg. Ganz konkret können bspw. Aktivitäten wie Lunchgames oder firmeninterne MeetUps, das Fördern einer Netzwerkkultur und damit die Stärkung der übergreifenden Kommunikation dafür sorgen, dass sich Menschen ungeachtet von Ressorts und Organisationsstrukturen austauschen und auf diesem Weg Silodenken reduziert wird.

Aber auch im kleinen Rahmen kann man fließendere Übergänge in den Strukturen bewirken. Flexibles Arbeiten lässt sich bspw. dafür nutzen, gezielt auch mal woanders zu sitzen, um auf diesem Weg starre Strukturen aufzuweichen. Zentrale Kaffeetheken fördern den Austausch über Organisationsgrenzen hinweg und unterscheiden auch nicht zwischen Hierarchien.

Aus Sicht einer agilen Transformation spielen Strukturen eine wesentliche Rolle. Gerade hier haben meiner Meinung nach Scrum Master ein ganz wichtiges Wirkungsfeld, denn zur Unterstützung einer agilen Transformation gilt es durchaus auch, alte Strukturen zu verändern und die Organisation bei diesem Prozess zu unterstützen. Dabei stellt sich für die Scrum Master selber schon die Frage, wie man sie in einem Unternehmen eigentlich am besten organisiert – dezentral oder zentral, in welcher Einheit, in welchem Ressort? Diese Überlegungen werfen jede Menge Fragen bzgl. Budget, Stellen etc. auf, die es zu klären gilt und die für die eigentliche Diskussion leider nicht unbedingt alle förderlich sind. Ist es die IT als Ressort, das Agilität ggf. am stärksten treibt, aber weiter weg vom Business ist? Ist es HR als zentrale Einheit mit der Gefahr, eine „Elfenbeinturm-Einheit“ zu weit weg von der Praxis zu sein? Inwieweit dürfen/sollten Ressortsichten überhaupt noch eine Rolle bei diesen Fragen spielen? Ziel muss es meiner Meinung nach sein, perspektivisch Silos aufzubrechen und deutlich weniger strukturelle Grenzen zu setzen.

Wo und wie erlebt ihr den Einfluss von Strukturen – sowohl im Negativen wie im Positiven? Wo unterstützen sie euch, wo behindern sie? Ich freue mich auf eure Kommentare.

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