Als mir zum ersten Mal ein Kollege sagte, dass es Menschen gibt, die Angst vor mir haben, bin ich erschrocken und wollte es zuerst überhaupt nicht glauben. Wie kann das denn sein? Ich halte mich selbst für einen der harmlosesten Menschen auf Erden – ganz klar. Ich würde höchstens einer Fliege etwas zu Leide tun und bin von Natur aus eher harmoniebedürftig. Dennoch gibt es offensichtlich Menschen, die sich mir gegenüber nicht trauen, offen zu reden und die ich mit meiner Art einschüchtern kann.
Woran liegt das?
Es reicht ja bei weitem nicht aus, dass ich mich für einen friedlichen Menschen halte. Nur wenn auch der andere das so sieht, wird er sich mir gegenüber angstfrei fühlen. Dazu ist es notwendig, dass ich mit meinem eigenen Verhalten ein Umfeld schaffe, in dem sich andere mir gegenüber nicht verstellen müssen, sich trauen, offen zu reden und auch mal eine andere Meinung zu äußern. Offensichtlich gelingt mir das nicht immer bzw. nicht bei jedem.
Ist das nun mein Problem – oder nicht doch eher das Problem der anderen? Nun, so könnte man es auch sehen, allerdings finde ich diesen Gedanken insbesondere aus einer Coach- und ScrumMaster-Sicht nicht gut und wenig hilfreich. Da ist es meine Aufgabe, ein sicheres Umfeld zu schaffen und für eine gefühlte Sicherheit zu sorgen, damit ein Team sich entfalten kann.
Hierzu möchte ich einen Satz aus High Performance via Psychological Safety von @HeidiHelfand und @JoshuaKerievsky zitieren:
Psychological safety exists when you are not afraid to be yourself, to take risks, make mistakes, raise problems, ask questions and disagree with others.
Um diesen Zustand von Psychological Safety in einem Team zu erreichen, kann ich selber und gerade in meiner Rolle als ScrumMaster einiges tun. Die verlinkte Übersicht bietet dafür jede Menge Input zur Reflexion. Ich habe bspw. einzelne Themenblöcke daraus schon im Rahmen einer Retrospektive genutzt und gemeinsam mit meinem Team über unsere Offenheit innerhalb und außerhalb des Teams reflektiert.
Aus dem hier bereits erwähnten Buch Coaching Agile Teams von Lyssa Adkins können die folgenden Fragen ebenfalls zum Nachdenken anregen und es kann einem durchaus interessante Erkenntnisse liefern, wenn man sich selbst diese Fragen kritisch, offen und ehrlich beantwortet:
Do you spend some time each day quietly reflecting on how you would like to relate to yourself and others?
Do you remember that all human beings have the same needs?
Before every conversation, do you check your intention to see whether you are as interested in others getting their needs met as your own?
When asking someone to do something, do you check first to see whether you are making a request or a demand?
Instead of saying what you don’t want someone to do, do you say what you do want the person to do?
Instead of saying what you want someone to be, do you say what action you’d like the person to take that you hope will help the per- son be that way?
Before agreeing or disagreeing with anyone’s opinions, do you try to tune in to what the person is feeling and needing?
Instead of saying “no,” do you say what need of yours prevents you from saying “yes”?
If you are feeling upset, do you think about what need of yours is not being met, and what you could do to meet it, instead of thinking about what’s wrong with others or yourself?
Instead of praising someone who did something you like, do you express your gratitude by telling the person what need of yours was met?
Als ich diese Fragen beim Lesen des Buchs für mich selber beantwortete, kam ich nicht annähernd so oft zu einem JA, wie ich mir das gewünscht hätte. Hier wartet noch ein wichtiges Lernfeld auf mich. Und ich bin mir sicher: Je öfter ich mir die oben gestellten Fragen mit einem ganz klaren JA beantworten kann, desto seltener wird es vorkommen, dass sich jemand von mir eingeschüchtert fühlt.
Aufgrund der anstehenden Feiertage wird das vermutlich mein letzter Blogbeitrag sein für dieses Jahr. Ich wünsche euch allen wunderschöne Weihnachtstage, kommt gut ins Neue Jahr – ich freu mich, wenn ihr auch im nächsten Jahr hier wieder fleißig mitlest.
3 Antworten auf „Psychological Safety“
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