Wie schnell passiert es euch, dass ihr jemandem begegnet, den ihr noch nicht kennt und über den ihr euch innerhalb weniger Minuten anhand seiner Kleidung, seiner Stimme, seiner Gestik, ja sogar anhand seines Namens ein erstes Bild macht? Wie fix landet jemand bei euch in einer Schublade? Und wie oft nehmt ihr euch bewusst die Zeit, diesen ersten Eindruck später ggf. wieder zu revidieren?
Sicher kennt ihr auch die Situation, dass ihr neu in eine Gruppe kommt und euch davor ganz viele Gedanken macht, wie dieses erste Zusammentreffen wohl laufen wird. Wie ihr euch verhalten sollt, wie ihr am besten auf die anderen zugeht, um möglichst einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen. Eine Situation, die ihr vielleicht schon häufiger erlebt habt.
Mir zumindest geht es gelegentlich so. Kürzlich kam ich im Rahmen einer mehrtägigen Veranstaltung wieder in eine Situation, vor der ich mir diese Gedanken machte. Wie würde wohl der erste Tag und insbesondere das erste Kennenlernen mit den anderen laufen? Wie würden mich die anderen einschätzen? Würde ich mir alle Namen merken können? Würde ich auf die anderen eher offen oder eher zurückhalten wirken und würden mir die „richtigen“ Worte einfallen? Würde ich es schaffen, einen möglichst guten ersten Eindruck zu hinterlassen?
Und dann lief das erste Kennenlernen ganz anders, als ich dachte.
Vor dem Treffen erhielten alle Teilnehmer die Information, dass wir zu Beginn möglichst nicht mit den anderen Teilnehmern reden und uns auch nicht vorstellen sollten.
Warum diese ausgesprochen lange Aufwärmphase? Ich habe sie als sehr persönlich und vertrauensvoll empfunden. Ich habe im Rahmen des ersten Feedbacks erlebt, wie gut ich meiner Intuition vertrauen kann und wo ich mich aufgrund von Äußerlichkeiten noch zu einem falschen Urteil verleiten lasse. Ich habe mir auf diese Art sicher einige Dinge mehr über die anderen Teilnehmer gemerkt, weil mich das Erzählte viel stärker auf einer emotionalen Ebene angesprochen hat. Mein Kopf und mein Gefühl waren sofort in einem positiven Modus. Wenn das Gehirn positiv eingestimmt ist, wird Zugang zum persönlichen Potenzial geschaffen. Man lernt besser auf der Erlebnisebene, indem man das Erfahrene direkt auf der emotionalen Ebene verankert.
Ich fand das alles hochspannend. Interessant war auch, dass sich genau die Leute, die jeweils zusammen in einer Kleingruppe waren, im Laufe des Tages immer wieder ganz schnell zusammen fanden. Der Weg dazu war durch die wohlwollende Einführungsphase vorbereitet.
Ich bin selber oft viel zu schnell darin, andere Menschen anhand ihres ersten Eindrucks einzuschätzen, den sie bei mir hinterlassen. Von daher denke ich, dass man dem ersten Kennenlernen ruhig ein wenig mehr Zeit geben kann als die berühmten 5 Sekunden. Sicherlich muss es zur jeweiligen Situation passen, da es schon einiges an Zeit erfordert, sich in dieser Form auf neue Menschen einzulassen. Nicht für jedes Kennenlernen sind mehrere Stunden Aufwärmzeit unbedingt angemessen, im Rahmen eines mehrtägigen Projektstarts, Trainings oder einer Veranstaltung, in deren Rahmen man länger miteinander zu tun hat, kann man sicher ein paar Aspekte hieraus übernehmen. Mir hat diese Art des Kennenlernens auf jeden Fall gezeigt, dass es deutlich mehr Möglichkeiten gibt, als das klassische Vorstellen mit „Ich bin …, ich mache …, ich habe …“. Der erste Eindruck ist wichtig, man sollte ihm aber auch den nötigen Raum geben und nicht einfach nur nach Schema F vorgehen.
Von mir selber kann ich allerdings mit gutem Recht behaupten, dass ich anderen zumindest immer die Chance lassen, diesen ersten Eindruck wieder zu revidieren. Wenn dem nicht so wäre, wäre ich heute vermutlich nicht verheiratet. Oder zumindest mit einem anderen Mann. Meinen heutigen hatte ich nämlich beim ersten Kennenlernen doch etwas vorschnell in die falsche Schublade gesteckt ;-).
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