In meinem 2. Coachingmodul bei INeKO lernte ich neue Methoden kennen, die man im Rahmen einer Coachingsession einsetzen kann. Besonders neugierig war ich auf die Methode der Systemischen Aufstellung, von der ich zwar schon gehört, die ich aber noch nie selber in der Praxis erlebt hatte. Dabei geht es um eine Art räumlicher Darstellung eines Themas, das der Klient in die Coachingsession einbringt. Die Sichtbarmachung des Systems, in dem der Klient mit seinem Thema eingebunden ist, und der zugehörigen – ggf. dysfunktionalen – Strukturen, Dynamiken und Beziehungen innerhalb dieses Systems kann ihm helfen, neue Sichtweisen zu erlangen und darüber Veränderungsprozesse in Gang zu setzen. Durch die Aufstellung kann der Klient wieder eigene Handlungsoptionen erkennen und so Lösungen für seine Problemstellung finden. Dabei hilft ihm die Möglichkeit, das von ihm aufgestellte System zu verändern und darüber neue Perspektiven zu ermöglichen, die er in seiner realen Situation möglicherweise nicht mehr erkennen kann.
Für mich klang das erst einmal grundsätzlich einleuchtend – aber wie genau sollte das funktionieren?
In der systemischen Aufstellung lenkt der Coach den Fokus des Coachees auf körperliche Veränderungen, d.h. er geht über gezielte Fragen auf die Körperwahrnehmung und deren Auswirkungen für die Beteiligten ein.
Hierbei haben wir zwei verschiedene Varianten kennengelernt, wie man ein solches System aufstellen und transparent machen kann.
In der 1. Variante wird mit sogenannten Bodenankern gearbeitet. Hierzu werden die beteiligten Personen auf Pappkarten, z. B. Metaplankarten, geschrieben. Eine Karte gibt es für den Coachee selbst, in einer beruflichen Situation könnte es bspw. noch eine Karte für eine Kollegin oder einen Mitarbeiter geben. Ist ein ganzes Team Teil der Aufstellung, bekommt es zunächst erst einmal eine gemeinsame Karte. Ggf. erkennt man im Laufe der Session, dass eine oder einzelne Personen aus der Team-Karte rausgenommen und auf eine eigene Karte geschriebene werden müssen, weil sie als Individuum innerhalb des Systems eine zu wesentliche Rolle spielen. Jede Karte bekommt außerdem eine Nase aufgemalt, um bei der Aufstellung auch die Blickrichtung zeigen zu können. Hat der Coach nach den Angaben des Coachee für alle wirklich relevanten Personen/Personengruppen eine Karte geschrieben, lädt er den Coachee dazu ein, diese in ihrer Beziehung zueinander auf dem Boden auszulegen. Hierbei kommt es darauf an, die Konstellation innerhalb des Systems möglichst genau aufzustellen, und zwar so, wie sich das Bild für den Coachee darstellt: Sind die beteiligten Personen in seiner Wahrnehmung eher nah beieinander oder gehen sie mehr auf Distanz? Wie ist ihre Blickrichtung – schauen sie sich an oder schauen sie aneinander vorbei? Stehen sie sich gegenüber oder drehen sie sich voneinander weg? Der Coachee weiß hierbei überraschend gut, wie er die Karten auf den Boden legen muss, er kennt sein System sehr genau. Sobald er damit fertig ist, schaut sich der Coach die Aufstellung zusammen mit dem Coachee noch einmal aufmerksam an. Dabei kann es hilfreich sein, um das am Boden liegende System aus Pappkarten herum zu laufen. Wichtig ist, dass der Coachee hierbei so viel Zeit hat, wie er braucht. Der Coach stellt nun unterstützende Fragen an den Klienten, die sich auf die körperlichen Veränderungen fokussieren. Wie fühlt es sich auf der Position der Kollegin für den Coachee an? Wo nimmt er dieses Gefühl in seinem Körper wahr? Welchen Bewegungsimpuls spürt er auf der Position des Mitarbeiters? Anhand solcher Fragen können sich für den Klienten neue Erkenntnisse ergeben, die er zum einen sieht und zum anderen auch körperlich nachempfinden kann.
Die 2. Variante ist die anspruchsvollere Form der Systemischen Aufstellung, die man auch nicht ohne weitere vertiefende Kenntnisse als Coach so einfach einsetzen sollte. Hierbei wird mit Personen gearbeitet, die die Pappkarten ersetzen, d.h. für diese Methode benötigt man Unterstützer, die sich als Repräsentanten für die zu verkörpernden Beteiligten innerhalb des Systems zur Verfügung stellen. Wie man schon daraus erkennen kann, ist diese Methode die aufwändigere, für mein Empfinden aber auch die nochmal wirkungsvollere. Der Coachee wählt aus einer bereit stehenden Gruppe von Personen, die für ihn am besten passenden Repräsentanten aus, vergibt die für sein System erforderlichen Rollen (inkl. seiner eigenen) und stellt dann eine Person nach der anderen in seinem System auf. Das Vorgehen ist ansonsten sehr ähnlich, auch hier geht der Coach mit Fragen auf die dargestellte Konstellation ein. Allerdings sind es hier nun die Repräsentanten, die ihr körperliches Empfinden in dieser Situation schildern.
Dass die Aufstellung mit den Bodenankern dem Coachee neue Erkenntnisse bringen würde, konnte ich mir schon vorher ganz gut vorstellen. Manchmal ist es ja einfach so, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht und da hilft es, wenn man die gegebene Konstellation mal sichtbar macht und ein wenig mit ihr „spielt“.
Warum aber sollten wildfremde Personen empfinden können, wie es den nicht anwesenden „echten“ Beteiligten in der dargestellten Situation gehen sollte? Ich konnte mir das überhaupt nicht vorstellen. Glücklicherweise hatte ich die Gelegenheit, ein eigenes Thema als Coachee mit einem Coach zu bearbeiten – und war krass erstaunt über das Ergebnis. Als die beiden Repräsentanten, die die zwei in meinem System beteiligten Personen darstellten, durch die Fragen des Coachs geleitet erläuterten, wie sich meine Aufstellung auf ihr körperliches Befinden auswirkte, war ich sprachlos – zum einen weil ich selber an diese von ihnen empfundene Reaktion überhaupt nicht gedacht hatte und zum anderen weil ich sie nach ihrer Beschreibung absolut nachvollziehen konnte.
Sollte nun jemand meinen, ein solches negatives Gefühl stellt sich doch automatisch ein, wenn man zu dicht nebeneinander steht, kann ich aus der eigenen Erfahrung schildern, dass ich durchaus einen Unterschied wahrgenommen habe. Als wir vor der Übung als Repräsentanten dicht nebeneinander standen und auf unseren Einsatz warteten, störte es keinen von uns, so nah beieinander zu sein. Es fühlte sich aber umgehend ganz anders an, als wir in die zu bearbeitende Aufstellung geführt wurden und ganz auf das sich dort einstellende Körpergefühl achteten.
Ich fand beide Varianten der Systemischen Aufstellung unheimlich faszinierend und überlege daher, mich noch etwas intensiver damit zu beschäftigen – sowohl als Coach als auch als Coachee. Vielleicht kann mir jemand von euch Empfehlungen dazu geben. Dann schreibt mir gerne in den Kommentaren, über Twitter oder Instagram – ich freue mich sehr über Anregungen und gute Tipps!
Dieser Beitrag ist nun ganz sicher keine wissenschaftliche Abhandlung zum Thema Systemische Aufstellung und das soll es auch gar nicht sein. Ich möchte euch auch ausdrücklich bitten, mit diesen Methoden nicht einfach mal so rumzuspielen – es geht immerhin um Menschen, mit denen wir uns hier beschäftigen. Mit meinem Artikel möchte ich euch lediglich einen kleinen Einblick in die Welt des Coachings geben, in die ich selber gerade erst anfange reinzuschauen.
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