Retrospektiven

Auf dem Agile Camp Berlin neulich war ich auch in einer Session über Retrospektiven, die mir gut gefallen hat. Das möchte ich als Anlass nehmen, ein paar Gedanken und Tipps zu Retrospektiven mit euch zu teilen.

Bei it-agile findet man die folgende Beschreibung für eine Retrospektive:

Retrospektiven sind Teamtreffen, bei denen es darum geht, aus der Vergangenheit zu lernen. Dazu schauen die Teammitglieder gemeinsam zurück und bewerten, was gut und was schlecht gelaufen ist. Außerdem analysieren sie, warum Dinge gut oder schlecht waren, um so zu Maßnahmen zur Verbesserung zu kommen.

Retrospektiven – oder auch kurz Retros genannt – sind für mich das Event in Scrum, in dem der Scrum Master als Moderator und Facilitator am intensivsten mit seinem Team interagiert. Er sollte dabei allerdings stets darauf achten, sich selbst nicht in die Diskussion einzubringen, sondern eine möglichst neutrale Haltung bewahren und das Team mit guten Fragen und Denkanstößen unterstützen. Eine wirksame Retro kann ein Team in der Zusammenarbeit und seiner Entwicklung enorm nach vorne bringen. Eine Retro besteht dabei üblicherweise aus fünf Teilen:

          • Intro (Set the stage)
          • Daten sammeln (Gather data)
          • Einsichten gewinnen (Generate insights)
          • Maßnahmen beschließen (Decide what to do)
          • Abschluss (Close the retrospective)

Wer Retrospektiven noch gar nicht kennt, kann sich z.B. auch bei scrum.org einen guten Überblick verschaffen. Ich möchte hier nicht erklären, was Retros sind und wie sie grundsätzlich funktionieren, sondern gerne ein paar ergänzende Ideen und Links aufführen, die mir im Zusammenhang mit Retros über den Weg gelaufen sind, die für mich hilfreich waren oder die ich mal ausprobieren möchte.

A retro gives a team a chance to be their own boss and talk.

Eine Retro ist natürlich nur dann wirklich wirkungsvoll, wenn an den vereinbarten Maßnahmen, den sogenannten Action Items, auch gearbeitet wird. Hierzu ist es meiner Meinung nach wichtig, dass sich das Team seiner eigenen Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeit bei der Umsetzung dieser Maßnahmen bewusst ist. Action Items, die ich mit meinem Team vereinbare, halten wir auf einem haptischen Board fest und prüfen immer wieder den Stand der Dinge. Ich denke allerdings, das können wir noch viel konsequenter tun. Auf dem Agile Camp gab es von verschiedenen Teilnehmern den Vorschlag, Action Items direkt ins Sprint-Backlog aufzunehmen, um sie auf dem Board zu visualisieren. Dies hat den Vorteil, dass das Team in jedem Daily an die vereinbarten Maßnahmen erinnert wird und darüber reden kann.

Sollten Maßnahmen nach einer bestimmten Zeit nicht umgesetzt sein, empfiehlt es sich, diese wegzuwerfen und nicht weiter zu verfolgen, statt weiter wirkungslos Zeit zu investieren. Offensichtlich waren es dann noch nicht die richtigen Maßnahmen. Falls sie doch wirklich wichtig waren, tauchen sie in absehbarer Zeit sowieso wieder auf.

Man muss das Rad nicht immer neu erfinden.

Um aus Retros kein eintöniges Standardformat zu machen, das immer nach dem gleichen Schema abläuft und damit sowohl für das Team als auch für den Moderator sehr langweilig wird, tut Abwechslung in den Methoden gut. Der Retromat, den es sowohl auf englisch als auch auf deutsch gibt, ist ein schönes Hilfsmittel zur Ideenfindung, den ich häufig als Inspiration heranziehe. Hier kann man zu jeder Phase stöbern und ein geeignetes Format auswählen.

Meiner Meinung nach ist es nicht zwingend erforderlich, immer die vorgenannten fünf Schritte zu durchlaufen. Im Retromaten gibt es dazu noch die Rubrik „Something completely different“, aus der man hin und wieder eine Idee für eine Retro nehmen kann. Sicherlich sollte das nicht regelmäßig der Fall sein, aber mal ist auch ein Walk & Talk mit Eis durchaus angebracht – gerade wenn das Team einen wirklich guten oder vielleicht auch einen sehr anstrengenden Sprint hinter sich hat. Ein solch offenes Format ohne Timebox kann den freien Dialog fördern und lässt dem Team ausreichend Raum, offen ohne ein festes Zeitfenster zu diskutieren und Ideen zu entwickeln.

Und wer seinem Team mal zu ganz anderen Gedankengängen verhelfen möchte, für den ist TRIZ aus den Liberating Structures vielleicht eine schöne Methode. Hier darf in Bezug auf das gemeinsame Ziel mal ganz anders gedacht werden: Nämlich nicht „Was können wir tun, damit es besser wird?“, sondern „Was müssen wir tun, um es wirklich richtig zu verkacken?“. Dieses Andersdenken ermöglicht es,  innovative Ideen zu finden und Lösungen zu entwickeln. Ich habe es selber noch nicht ausprobiert, es soll aber sehr wirkungsvoll sein und nebenbei auch noch Spaß machen. Auf der Website von Liberating Structures finden sich darüber hinaus noch einige weitere Methoden, die sich für den Einsatz in einer Retro eignen.

Ein anderes gutes Hilfsmittel, das ich hier auch schon einmal kurz erwähnt hatte, sind die sehr schön gestalteten Lernkarten für Retrospektiven von leanovate. Sie ersetzen für mich definitiv nicht den sehr flexiblen (und zudem noch kostenlosen) Retromat, sind aber eine schöne Ergänzung dazu und können gerade auch neuen Scrum Mastern mit ihrer klaren und übersichtlichen Struktur als hilfreiche Toolbox an die Hand gegeben werden.

Dialog Sheets geben eine klare Struktur.

Quasi genau das Gegenteil dieser offenen Formate sind die sogenannten Dialog Sheets, deren Ziel es ist, gute Gespräche zu fördern. Diese Dialog Sheets kann man unter anderem auch für Retros verwenden. Die Teilnehmer werden dabei anhand von Fragen und Aufgaben sehr strukturiert und klar durch den Prozess geführt, der Moderator hat hier ein wenig Pause :-). Ich habe ein solches Dialog Sheet für Retrospektiven selber schon in einer Retro eingesetzt und war vor allem erstaunt, wie stringent und in welch kurzer Zeit wir durch die gesamte Retro kamen. Und trotzdem wurde viel diskutiert und viel gelacht.

Ich würde diese Sheets nicht regelmäßig in Retros einsetzen, sehe sie aber durchaus als kommunikationsfördernde Alternative. Ich könnte sie mir außerdem als gute Unterstützung vorstellen, sollte das Team mal eine Retro ohne Scrum Master machen, da sie einen sehr gut durch die 5 Phasen einer Retro begleiten.

Eine ähnliche Intention hatten wohl auch die Erfinder des Spotify Retro Kit, das explizit dafür entwickelt wurde, Teams zu helfen, eigenständiger und selbstverantwortlicher zu agieren und letztlich auch ihre Retros ohne Unterstützung durch einen Scrum Master durchzuführen.

Spaß darf natürlich auch noch sein dabei.

Zu guter Letzt habe ich noch zwei weitere Linktipps für euch. Bei Fun Retrospective oder Tasty Cupcakes stöbere ich immer wieder mal herum, wenn ich zur Auflockerung auch mal einen spielerischen Part einbringen möchte, bspw. für das Intro.

Das ist sicher noch längst nicht alles, was man zu Retrospektiven schreiben kann, umfasst aber schon mal im wesentlichen meine eigene Toolbox. Wenn ihr weitere Empfehlungen und Linktipps habt, freue ich mich sehr über eure Kommentare und Feedback.

Weitere Anmerkungen zu Retros und mögliche Methoden gab es von mir schon mal hier und hier.

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