Gewaltfreie Kommunikation (Buchrezension)

In meinem Blogbeitrag über Psychological Safety hatte ich ein paar Fragen aus dem Buch Coaching Agile Teams von Lyssa Adkins zum Thema „Master Yourself“ zitiert, mit denen man selbst reflektieren kann, wie gewaltfrei – oder eben nicht – die eigene Sprache im Umgang mit sich selbst und mit anderen ist. Da mich meine Antworten auf diese Fragen nicht annähernd so sehr überzeugten, wie ich das gerne gehabt hätte, wollte ich mich mit dem Thema Gewaltfreie Kommunikation (GfK) noch etwas intensiver auseinandersetzen.* Ich glaube, für eine gute Coachinghaltung ist GfK essentiell und kann mir nur helfen, auf empathischere, ehrlichere und damit konstruktivere Art und Weise zu kommunizieren.

Dazu nahm ich mir zuerst das Standardwerk Gewaltfreie Kommunikation von Marshall B. Rosenberg vor. Ich habe das Buch noch nicht komplett gelesen, aber bereits die ersten Kapitel fand ich so eindrücklich und nachvollziehbar, dass ich euch trotzdem schon einen kurzen Einblick geben möchte.

Gewaltfreie Kommunikation (Buchrezension)

Ziel der GfK ist es nicht, Menschen und ihr Verhalten zu verändern, sondern offene und einfühlsame Beziehungen aufzubauen. Auf dieser Basis ist es möglich, die Bedürfnisse jedes Einzelnen zu erfüllen.

GfK basiert auf vier Komponenten.

GfK basiert danach auf vier Komponenten:

          1. Beobachtungen
          2. Gefühle
          3. Bedürfnisse
          4. Bitten

Gemeint ist damit in der Tat ein Prozess oder ein Modell, mit dem man arbeiten kann, um die eigene Kommunikation gewaltfrei(er) zu machen. Natürlich ist das nicht als starre Formel zu sehen, sondern jeweils situativ anzupassen. Wichtig ist aber ein grundlegendes Verständnis über diese vier Komponenten. Man sollte sich ihrer Wirkung und Bedeutung stets bewusst sein. Die vier Komponenten erläutere ich später noch ein wenig genauer.

GfK möchte mit diesem Modell die beiden wesentlichen Aspekte der Kommunikation unterstützen: Die Möglichkeit, sich auszudrücken und die Fähigkeit des Zuhörens.

Unsere Kommunikation blockiert unser Einfühlungsvermögen.

Die Sicht des Autors ist es, dass es in der menschlichen Natur liegt, einfühlsam Geben und Nehmen zu wollen. Wir haben uns jedoch Muster einer „lebensentfremdenden Kommunikation“ – sowohl in der Sprache als auch im Verhalten – angeeignet, mit denen wir uns selbst und andere eher verletzen. Diese Formen der Kommunikation hindern uns daran, unsere natürliche, einfühlsame Natur auszuleben.

      • Moralische Urteile:
        Urteile über andere Menschen werden hierbei als Ausdruck unserer eigenen Bedürfnisse und Werte angesehen. Nach Rosenberg führen die auf diese Art und Weise geäußerten Bedürfnisse bei den anderen allerdings entweder zu Abwehr und Widerstand oder sie werden nur gezwungenermaßen aus Angst, Schuldgefühl oder Scham erfüllt.
      • Vergleiche anstellen:
        Vergleiche sind eine Form von Verurteilung, die einfühlsames Verhalten gegenüber uns selbst und anderen verhindert. Das Denken in Vergleichen kann eine sehr starke negative Wirkung ausüben. Es führt sehr leicht dazu, dass wir uns schlecht fühlen, weil die Person, mit der wir uns vergleichen, in irgendeiner Form „besser“ – schöner, klüger, erfolgreicher, vermögender … – ist als wir.
      • Verantwortung leugnen:
        Mit Mitteln wie einer sogenannten „Amtssprache“, vagen, unpersönlichen Aussagen und dem Verweisen auf Vorschriften können wir durch unsere Sprache persönliche Verantwortung „abgeben“.
        Da war zum einen das sehr drastische Beispiel der sogenannten Amtssprache aus dem 3. Reich, aber auch das uns sicher allen gut vertraute „ich muss das machen, weil xy es vorschreibt“ …
      • Forderungen:
        Wenn Wünsche als Forderungen kommuniziert werden, wirkt das bedrohlich für den, der diese Wünsche nicht erfüllt. Das Nichterfüllen zieht Schuldzuweisungen oder Strafe nach sich. Diese Art zu kommunizieren ist besonders bei Menschen in einflussreichen Positionen verbreitet.
      • Handlungen verdienen Lob oder Strafe:
        Diesem Gedanken liegt das Verständnis zugrunde, dass Menschen Dinge tun, um Strafen zu entgehen.

Nachfolgend möchte ich noch etwas genauer auf die oben genannten 4 Komponenten der GfK eingehen.

Beobachte, ohne zu bewerten.

GfK bedeutet nicht, dass wir alles nur noch vollständig objektiv sehen sollen und Bewertungen keine Rolle mehr spielen dürfen. Es geht vielmehr darum, beides klar voneinander zu trennen. Diesem Gedanken liegt das Verständnis zugrunde, dass das Vermischen von – sachlichen – Beobachtungen und – in der Regel negativen – Bewertungen dazu führt, dass der Empfänger einer Botschaft eher die Kritik hört. In der Folge liegt sein Fokus darauf, dieser Kritik zu widersprechen. Häufig wird damit die gesamte Botschaft abgelehnt. Auch die sachliche Beobachtung geht unter und wird nicht gehört, unabhängig davon, ob sie richtig ist oder nicht.

Gefühle wahrnehmen und ausdrücken.

Gefühle auszudrücken und über sie zu sprechen ist in unserer Gesellschaft nicht besonders üblich. Im besten Fall werden sie als nicht so wichtig angesehen, im schlimmsten Fall sogar als Zeichen von Schwäche und Angst abgewertet. Für das Lösen von Konflikten können geäußerte Gefühle aber ein hilfreicher Schlüssel sein, wenn wir uns erlauben, mit dem Ausdruck unserer Gefühle auch unsere Verletzlichkeit zu zeigen. Dafür ist es wichtig, seine Gefühle auch angemessen benennen zu können. Häufig formulieren wir aber eher Meinungen, Interpretationen oder Gedanken und können unsere echten Gefühle nicht klar artikulieren. Ein mit den Worten „ich habe das Gefühl“ oder „ich fühle“ eingeleiteter Satz drückt nicht zwangsläufig wirklich ein Gefühl aus, sondern beschreibt eher, was wir denken. Um dies zu tun, ist es ggf. erst einmal notwendig, sich einen entsprechenden „Gefühls-Wortschatz“ aufzubauen.

Bedürfnisse: Verantwortung für die eigenen Gefühle übernehmen.

Die GfK geht davon aus, dass das, was andere über uns sagen oder tun, durchaus ein Auslöser für unsere Gefühle sein mag, aber nie ihre Ursache. Wir selber entscheiden, wir wir auf eine negative Aussage oder Handlung reagieren möchten. Wie wir reagieren, wird beeinflusst von unseren Bedürfnissen und Erwartungen in der konkreten Situation. Dafür wie wir reagieren, sind wir selbst verantwortlich.

Wenn sich uns gegenüber jemand negativ äußert, sind vier mögliche Reaktionen denkbar:

      1. Wir geben uns selbst die Schuld an der geäußerten Kritik.
      2. Wir geben dem anderen die Schuld.
      3. Wir nehmen unsere eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahr.
      4. Wir nehmen die Gefühle und Bedürfnisse des anderen wahr.

Je besser wir unsere Gefühle mit unseren Bedürfnissen zusammen bringen, desto einfach ist es für den anderen, einfühlsam zu reagieren. Indem wir andere Menschen kritisieren und Urteile über sie fällen, äußern wir auf indirekte Art und Weise unsere eigenen Bedürfnisse. Auf indirekte Art geäußert, führen diese Bedürfnisse eher zu erwiderter Kritik als zu Verständnis. Daher ist es wichtig, unsere eigenen Bedürfnisse zu kennen, sie ernst zu nehmen und sie klar äußern zu können. Erst dann sind einfühlsame Reaktionen der anderen möglich. Dann erst ist es ihnen möglich, auf unsere Bedürfnisse einzugehen.

Auf dem Weg zur emotionalen Verantwortung für unsere Bedürfnisse beschreibt der Autor drei Stadien:

Stufe 1:
Emotionale Versklavung: Wir fühlen uns für die Gefühle anderer verantwortlich.

Stufe 2:
Rebellisches Stadium: Wir lehnen jegliche Rücksichtsnahme auf die Gefühle und Bedürfnisse anderer ab.

Stufe 3:
Emotionale Befreiung: Wir übernehmen volle Verantwortung für unsere eigenen Gefühle, aber nicht für die anderer Menschen.

Um das bitten, was unser Leben bereichert.

Indem wir klar äußern, worum wir bitten möchten, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Bitten gehört und letztlich auch erfüllt werden. Dafür ist es erforderlich, vage, missverständliche Aussagen zu vermeiden. Wir sollten eindeutig formulieren, was wir wollen, statt das zu äußern, was wir nicht wollen. Wenn wir andere um konkrete Handlungen bitten, statt unkonkrete Wünsche zu benennen, können wir klar aufzeigen, was wir eigentlich brauchen. Unklare Äußerungen führen leicht zu Missverständnissen und Verwirrung bis hin zu belastenden zwischenmenschlichen Spielchen.

Das ist insbesondere dann der Fall, wenn wir lediglich unsere Gefühle ausdrücken, uns dabei aber selber gar nicht im Klaren darüber sind, was wir eigentlich wollen. Wie soll es dann der Empfänger unserer Botschaft sein? Oft ist uns selbst nicht bewusst, worum wir bitten und dementsprechend unklar ist unsere Aussage.

Umgekehrt können Bitten, die ohne das zugehörige Gefühl und Bedürfnis des Bittenden geäußert werden, leicht wie eine Forderung klingen. Dies kann beim Empfänger zu zwei verschiedenen Reaktionen führen: Unterwerfung oder Rebellion. So oder so führt der – vermeintlich oder wirklich – ausgeübte Zwang des Bittenden dazu, dass die Bereitschaft des Empfängers nachlässt, der Bitte nachzugehen.

Mein Zwischenfazit zum Buch.

Zwei Themen aus den ersten Kapiteln waren für mich schon so erhellend, dass sie mir noch länger durch den Kopf gingen:

Zum einen fand ich sehr spannend, dass wir mit unserer Sprache zeigen, ob und wie viel Verantwortung wir für unser eigenes Denken, Fühlen und Handeln übernehmen möchten. Wie ich mehr Verantwortung für mein eigenes Handeln und Tun übernehmen kann, beschäftigt mich schon seit einiger Zeit. Wie groß auch hier der Einfluss von Sprache ist, war mir in der Dimension bisher aber noch nicht klar.

Zum anderen schienen mir die Auswirkungen sehr eingängig, was passiert, wenn wir Beobachtungen und Bewertungen in unserer Kommunikation miteinander vermischen. Ich fand es sehr nachvollziehbar, dass dadurch wichtige Botschaften – die sachlichen Beobachtungen – ggf. nicht mehr gehört werden, weil der Empfänger nur damit beschäftigt ist, sich gegen die mitgegebenen Bewertungen zu verteidigen. Beides war mir in irgendeiner Form auch schon vorher einigermaßen bekannt, aber nicht in der beschriebenen Klarheit bewusst. Die Begründung fehlte mir noch, warum das so ist.

Ich überlege nun, wie ich diese Erkenntnisse in meine eigene Sprache integrieren und in die Praxis übernehmen kann. Ich werde das Buch auf jeden Fall weiterlesen, weil es mich jetzt schon sehr begeistert. Als nächstes möchte ich natürlich wissen, welche Möglichkeiten mir helfen können, meinem Ziel einer gewaltfreien (oder zumindest gewaltärmeren) Kommunikation näher zu kommen. Ich werde auch die weiteren Kapitel und meine Überlegungen dazu gerne in einem Blogbeitrag mit euch teilen, sobald ich das Buch zu Ende gelesen habe.

Zusätzlich zu dem hier beschriebenen Buch gibt es außerdem ein Trainingsbuch Gewaltfreie Kommunikation mit vielen praktischen Übungen, das auf die Kapitel des „Hauptbuchs“ aufbaut und das ich ebenfalls noch lesen und durcharbeiten möchte.

* Auch Stefanie Leo hat mich auf dieses Thema aufmerksam gemacht, da sie schon vor einiger Zeit in einem Facebook-Kommentar (den ich hier nicht verlinkt kriege) von einem GfK-Seminar mit Marcus Strittmatter berichtete, das sie sehr begeistert hat.

Noch mehr Informationen zu GfK.

Eine Antwort auf „Gewaltfreie Kommunikation (Buchrezension)“

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