Als ich vor einigen Jahren eins meiner ersten Führungskräfte-Trainings gab, in dem es unter anderem um die künftige Rolle der Führungskraft ging, bekam ich am Ende von zwei Teilnehmerinnen das Feedback, wir hätten viel zu viel Zeit mit Selbstreflexion verbracht. Ich war über diese Rückmeldung damals überrascht, da ich Selbstreflexion als wertvollen Teil des Trainings angesehen hatte. Offensichtlich war es mir nicht gelungen, dieses Verständnis bei allen Führungskräften zu wecken. Ich hatte das Gefühl, dass ich diese beiden Teilnehmerinnen mit einem ganz wesentlichen Aspekt des Trainings nicht erreicht hatte.
Was ist Selbstreflexion?
Wikipedia beschreibt Selbstreflexion zunächst ganz leicht verständlich:
Selbstreflexion bezeichnet die Fähigkeit, über sich selbst nachzudenken. Das bedeutet, sein Denken, Fühlen und Handeln zu analysieren und zu hinterfragen mit dem Ziel, mehr über sich selbst herauszufinden. Dabei können wir uns nicht nur selbst als individuelle Person hinterfragen, sondern auch als Teil eines Systems, zum Beispiel als Teil einer Familie oder eines Teams.
Warum ist Selbstreflexion wichtig?
Ich persönlich glaube, ohne Selbstreflexion kann ich mich nicht weiter entwickeln. Persönliches Wachstum ist ohne die sich daraus ergebenden Erkenntnisse nicht so einfach möglich. Selbstreflexion hilft mir, Entscheidungen zu treffen, weil ich besser weiß, was mir wichtig ist. Selbstreflexion ist auch wichtig, um mein eigenes Verhalten, meine Gedanken und meine Gefühle zu reflektieren und mir meiner eigenen Verantwortung bewusst zu sein, statt sie an andere abzugeben. Selbstreflexion kann mich außerdem darin unterstützen, meine Ziele zu erkennen und dann den eigenen Fokus in die gewünschte Richtung zu lenken.
Für mich ist das ein lebenslanger Prozess der eigenen persönlichen Weiterentwicklung. Meiner Meinung nach funktioniert er nur dann, wenn man es selbst möchte – ich glaube es reicht nicht, wenn jemand anderes diesen Prozess der Selbstreflexion vorschreibt oder empfiehlt und man selber aber überhaupt nicht davon überzeugt ist. Wie eben die beiden Teilnehmerinnen in meinem Training.
Wie schaffe ich es, mich selbst besser zu reflektieren?
Zum Glück können wir unsere eigene Selbstreflexion trainieren. Zum Glück können wir das jeden Tag aufs Neue tun. Letztlich ist es auch kein Hexenwerk.
Zunächst einmal braucht man ein bisschen Zeit dafür. Das muss gar nicht viel sein, ein paar Minuten reichen ggf. schon aus. Ich halte es für viel wichtiger, dass wir das regelmäßig tun. Mit regelmäßig meine ich möglichst jeden Tag.
Ich persönlich finde Fragen zur Selbstreflexion sehr hilfreich. Dabei sind sämtliche Fragen denkbar, die uns helfen, uns mit uns selbst auseinander zu setzen und uns besser kennen zu lernen. Am besten hält man seine Antworten schriftlich fest, denn so ist man immer ein wenig „gezwungen“, die eigenen Gedanken auch zu Ende zu denken, wenn man beim Schreiben vollständige Sätze formuliert. Schreiben lässt mir weniger Möglichkeiten, Gedanken und Gefühle schwammig auszudrücken. Ob man sich dafür immer die gleichen Fragen vornimmt – bspw. über ein Journal – oder immer spontane Fragen wählt, ist meiner Meinung nach Geschmacksache.
Eine andere Möglichkeit ist es, schreibend seinen Tag zu reflektieren. Hier kann man sich freier den eigenen Gedanken widmen und wird weniger durch vorgegebene Fragen gelenkt. Allerdings kann das auch leichter dazu führen, dass man möglicherweise beim Schreiben ins Klagen gerät, sich zu sehr auf das Negative fokussiert oder ggf. gar nicht erst zu den relevanten Themen kommt.
Im Grunde kann ich aber jede Möglichkeit zur Selbstreflexion nutzen, in der ich gerade nichts weiter zu tun habe: Wenn ich im Supermarkt in der Schlange stehe, wenn ich auf die Straßenbahn warte, wenn ich morgens zur Arbeit gehe. Auch hier kann ich meinen Tag Revue passieren lassen und mein Verhalten reflektieren.
Finde deine Lieblingsvariante.
Auch hier denke ich, dass sich jeder seine Lieblingsvariante selbst aussuchen sollte und ich möchte euch gerne noch ein paar Anregungen zum Weiterlesen und Ausprobieren mitgeben.
Ganz viele mögliche Fragen zur Selbstreflexion findet ihr z.B. in der Karrierebibel. Curse hat Anfang des Jahres einen zweiteiligen Podcast mit seiner Frau Sarah Desai gemacht und darin jeweils 25 gute Fragen für 2019 zusammengestellt. Eine kleine „Anleitung“ zur Selbstreflexion gibt es bei mindhelp.
Darüber wie meine eigene Morgenroutine funktioniert, wie ich dazu kam und wie sie sich entwickelt hat, hatte ich auch bereits einen Blogbeitrag geschrieben.
In dem hier schon erwähnten Buch Coaching Agile Teams gibt es ein ganzes Kapitel zum Thema „Master yourself“, das ebenfalls gute Denkanstöße bietet. Die darin aufgeführten (und hier bereits zitierten) Fragen können helfen, sich der eigenen Wirkung auf andere bewusst zu werden und das eigene Handeln immer wieder zu reflektieren.
Fang jetzt damit an.
Ganz wichtig ist am Ende, dass wir es tun: Dass wir uns Zeit zum Reflektieren nehmen und dass wir es regelmäßig tun. Ich bin überzeugt davon, dass uns dieser Prozess letztlich zu besseren Beziehungen führt. Zu uns selbst, weil wir uns besser verstehen, und auch zu anderen Menschen, da wir uns besser in sie hinein versetzen können.
Als ich kürzlich wieder ein Training geben durfte, hatten wir wieder ausreichend Zeit für (Selbst-)Reflexion eingeplant. Im Gegensatz zu meiner oben geschilderten Erfahrung wurde diese Zeit von den Teilnehmern diesmal als sehr wichtig und hilfreich angesehen. Ich glaube sogar, dass es uns durch diesen Austausch erst gelungen ist, allen ein gutes Verständnis für die Inhalte und ihre Rolle zu vermitteln. Ohne diese Zeit für (Selbst-)Reflexion wäre uns das vielleicht nicht so gut geglückt.
Wenn Du das Häkchen anklickst, wird ein Cookie gesetzt!